Premier League:"Dieser Tag ist einer der glücklichsten in meiner Trainerkarriere"

Von Sven Haist, Manchester

Ab der kommenden Saison besitzt Manchester City im eigenen Stadion einen Mannschaftstrakt der Extraklasse. Durch einen Glastunnel sollen die Spieler auf den Platz geleitet werden. Bis zur Fertigstellung ist der Stadioninnenraum aber weit weniger hip. Das Gewusel in dem drei Meter breiten Gang hat durch die Bauarbeiten noch einmal zugenommen. Schwierig, die Übersicht zu bewahren. Erst recht, wenn in dieser Zone Kluboffizielle, Ehrengäste und Spieler mit Familienangehörigen und Freunden aufeinandertreffen.

Zu Beginn seiner Premierensaison auf der Insel tauchte Leroy Sané in diesem Bereich genauso schnell auf, wie er wieder abtauchte. Seit er sich aber einen Startplatz als Linksaußen bei ManCity erspielt hat, ist das anders. Sané wird um Fotos und Autogramme gebeten; die Mitspieler laufen nicht mehr einfach an ihm vorbei, sondern tätscheln ihm die Schulter. Auch Jürgen Klopp, der deutsche Trainer des FC Liverpool, hatte am Sonntagabend Lust auf einen Austausch mit Sané, kurz nach dem 1:1 der beiden Teams in der Premier League.

Wer dem Emporkömmling bei seinen Verpflichtungen zusah, merkte: Sané fühlt sich wohl in der neuen Umgebung. "Das Wetter ist nicht das Beste", sagte Sané, "aber ich bin ja hier, um Fußball zu spielen." Im Sommer war er für 50 Millionen Euro aus dem rauen Gelsenkirchen ins noch rauere Manchester gewechselt. Ein gewagter Schritt für einen 20-Jährigen. "Meine Mitspieler und das Trainerteam haben mir sehr geholfen bei der Integration. Sowohl auf dem Platz als auch außerhalb."

Guardiola ist der Verzweiflung nahe

Sanés Akzeptanz in der Mannschaft war zu spüren beim Duell mit Liverpool um die direkte Qualifikation für die Champions League. In richtungsweisenden Situationen vertrauten seine Mitspieler ihm den Ball an. Meist hielt sich Sané an der Außenlinie auf, um mit möglichst viel Anlauf auf die gegnerische Abwehrreihe losstürmen zu können. Die Verarbeitung der Zuspiele, für die meistens mehrere Ballkontakte notwendig sind, verläuft bei ihm generell in einer einzigen Bewegung. Das beschleunigt das Angriffstempo. "Wir versuchen, das Spiel schnell zu halten", sagte Sané und fügte an: "Manchmal wurde es aber auch zu schnell."

Genau das brachte Pep Guardiola an der Seitenlinie manchmal der Verzweiflung nahe. Der Katalane gestikulierte, schlug um sich, kniete auf dem Boden und war kurz davor, eine Wasserflasche wegzutreten. Das Spiel, das wie ein Gummiball zwischen beiden Toren hin und her sprang, war Guardiola irgendwann aus den Händen geglitten.

Der so um Spielkontrolle bemühte Trainer von Manchester City musste mit ansehen, wie sich seine Offensivspieler zur Freude der Zuschauer frei machten von den Idealen ihres Trainers und sich ohne Nachdenken in Dribblings stürzten. Gegen einen, zwei, manchmal sogar drei Gegenspieler. Unvorhersehbare Situationen waren das, meist endeten sie in einem Konter des FC Liverpool. Den Gästen fiel es jedoch ebenso schwer, Ruhe und Klarheit zu bewahren. Genauso hektisch dürfte in den kommenden Wochen der Endspurt um die Plätze sein, die zur Qualifikation für die Champions League berechtigen. Da liegt ManCity momentan noch mit einem Punkt Vorsprung auf Liverpool auf Rang drei in der Tabelle.

Ein Spiel, das das Image der Premier League poliert

Die Statistiker zählten am Sonntag 25 Torschüsse und 17 Eckbälle. Der englische Fußballzirkus hätte sich keine bessere Partie aussuchen können, um sie zur besten Sendezeit auszustrahlen. Nach der Schmach der englischen Teams in der Champions League war die Premier League angezählt worden - und lieferte eine Vorstellung at its best. "Sie werden es nicht glauben können", setzte Guardiola an, und tatsächlich war es nur schwer zu glauben, was er jetzt sagte: "Dieser Tag ist einer der speziellsten in meinem Leben, einer der glücklichsten in meiner Trainerkarriere. Wir waren so, so traurig nach dem Aus in der Champions League. Das ist der Grund, warum ich nun so stolz bin."

Die Superlativ-Rhetorik Guardiolas erfreut sich in Fußball-England einer großen Beliebtheit, weil dort alles beliebt ist, was sich gut vermarkten lässt. Das trifft auch auf das Coaching seines Gegenübers zu. Das Verhalten Klopps in seiner Trainerzone kennt kaum mehr Grenzen. Fast tierisch wirkten seine Gefühlsausbrüche, die vorrangig an die eigene Mannschaft und die Schiedsrichter adressiert waren. Beim Elfmeter von James Milner zum 1:0 (51.) stand Klopp breitbeinig und mit verschränkten Armen da, als ob er das Spielfeld vor Eindringlingen bewachen müsste.

Liverpools Taktik zielte darauf ab, die Formation des Gegners zu spiegeln und möglichst klare Zuteilungen zu schaffen. "Wir hätten das Spiel gewinnen, aber auch verlieren können", sagte Klopp. Im Verlauf der zweiten Halbzeit änderte Guardiola die Grundordnung auf eine Mittelfeldraute mit zwei Angreifern. Bis Liverpool sich der Idee angepasst hatte, erzielte Sergio Agüero den Ausgleich (69.).

Die letzte Chance zum Siegtreffer vergab er in der Nachspielzeit. "Ich habe viel darüber nachgedacht, was ich tun kann, dass meine Spieler mehr Tore schießen", erzählte Guardiola. "Aber in meiner Karriere habe ich ja selbst nur elf Treffer erzielt, in jeder Saison eines. Was soll ich ihnen also sagen?" Für die Lösung des Problems hat Guardiola nun eine Woche mehr Zeit als sonst. Die Premier League hat durch die anstehenden Länderspiele erst mal Pause.

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