SZ-Serie "Die besten Sportfilme", Platz 13:Anschlag mit der Eisenstange

Film Review I Tonya

Margot Robbie in "I, Tonya", der Geschichte über eine Eiskunstläuferin.

(Foto: Neon/AP; Bearbeitung SZ)

Der Film "I, Tonya" zeichnet das Leben der Eiskunstläuferin Tonya Harding nach. Zu sehen ist dabei weit mehr als nur die Geschichte eines der größten US-Sportskandale.

Von Anna Dreher

Sportfilme haben es von Natur aus schwer: Der geneigte Sportfan erkennt sofort, dass selbst begnadete Schauspieler nicht zwingend Topathleten sind und Topathleten noch seltener begnadete Darsteller. Doch in den vergangenen Jahren ist die Auswahl gelungener Filme immer größer geworden: Die SZ-Sportredaktion stellt 22 von ihnen vor und kürt damit die - höchst subjektiven - 22 besten. Diesmal Platz 13 - "I, Tonya (Ich, Tonya)".

Was wäre wohl aus Tonya Harding geworden, hätte sie sich zu Beginn ihrer Eiskunstlaufkarriere von jenen Menschen losgelöst, die sie benutzt, geschlagen und gedemütigt haben? Vielleicht wäre Harding, der 1991 mit 20 Jahren als erster US-Amerikanerin im Wettkampf und zweiter Frau überhaupt ein dreifacher Axel gelang, 1994 in Lillehammer eine Olympia-Medaille überreicht worden. Vielleicht wäre sie noch heute eine Ikone ihres Sports. Dass sie Talent hat, steht früh fest, schon als sie als kleines Mädchen von ihrer lieblosen Mutter LaVona auf die Eisfläche gezwungen wird und während des Trainings nicht mal auf die Toilette gehen darf, weil das wertvolle Zeit kosten würde. Mit einer immensen Sprungkraft und athletischem Stil macht Harding die fehlende Eleganz wett - und irgendwie passt genau das zu ihren Lebensumständen.

Sie arbeitet sich mit viel Willen nach oben, wird zu einer der Besten ihres Sports, steht strahlend im Scheinwerferlicht - und kommt doch niemals los von ihrer von Härte und Armut geprägten White Trash-Herkunft. Nicht zuletzt, weil sie mit ihren selbstgenähten Kostümen, für ihren Sport ungewöhnlicher Musikauswahl und Pöbeleien gegenüber Wertungsrichtern auffällt. Als es später zu einer Art Aussprache mit der Mutter kommt, die ihr einst im Streit sogar ein Steakmesser in den Oberarm warf, antwortet diese schlicht: "Du solltest mir dankbar sein. Ich habe dich zu einer Kämpferin gemacht. Mit Nett sein erreichst du einen Scheiß!"

Wie konnte das alles bloß so geschehen? Diese Frage kreist einem durch den Kopf, während man sich diesen Film über einen der größten Sportskandale der USA anschaut; in dem so viel mehr steckt. Ein Film, der Komödie, Tragödie, Drama, Gesellschaftskritik ist - und obendrein auf wahren Begebenheiten beruht.

Regisseur Craig Gillespie erzählt Hardings wilde Geschichte in "I, Tonya" mit einer ungewöhnlichen Dramaturgie, verwebt mit Interviews der Protagonisten, die den Zuschauer direkt ansprechen - vorneweg von Tonya Harding selbst, die markant von Margot Robbie interpretiert wird und die den Film mit einem Hollywood-Mini-Budget von elf Millionen Dollar in nur 31 Tagen produziert hat. Hinzu kommen Tonyas (Ex-)Mann Jeff (Sebastian Stan), dessen unterbelichteter Kumpel Shawn (Paul Walter Hauser) und von LaVona Harding, für deren herausragende Darstellung Allison Janney den Oscar gewann.

Manche Szenen wirken so überzogen, die Figuren so skurril, dass es ganz gut ist, von Gillespie direkt Belege für deren Echtheit geliefert zu bekommen. Wer nicht glauben kann, dass das alles auf wahren Begebenheiten beruht, der bekommt am Ende Originalausschnitte präsentiert. Ja, das ist wirklich passiert - auch das so amateurhaft geplante und brutal ausgeführte Attentat auf Hardings Konkurrentin Nancy Kerrigan, bei dem der Liebling der Nation mit einer Eisenstange am Knie verletzt wurde. Hardings Ex-Gatte Jeff Gillooly hatte es kurz vor Olympia 1994 in Auftrag gegeben. Die in dieser Zeit aufkommenden TV-Kabelsender laben sich unerbittlich an dem Skandal. Wie viel Harding wusste, ist bis heute unklar. Dass der Anschlag aus ihrem Umfeld initiiert wurde, steht für die Ermittler hingegen bald fest. Und ab diesem Moment geht Hardings Karriere den Bach runter, sie wird nie wieder glänzen können auf Kufen. In Lillehammer gibt es noch ein Drama um ihre Schnürsenkel und ein schmuckloses Abschneiden jenseits der Medaillen. (Kerrigan gewann Silber, immerhin.)

Als Harding später zur Strafe auf Lebenszeit für Eiskunstlauf-Wettbewerbe gesperrt wird, fleht sie den Richter an, sie lieber für ein paar Jahre ins Gefängnis zu schicken. Um die Kraft und Bedeutung des Sports geht es in "I, Tonya" eben auch.

"I, Tonya (Ich, Tonya)", 2018, Regie Craig Gillespie

Bereits erschienene Rezensionen:

Platz 22: "Free Solo"

Platz 21: "Rush"

Platz 20: "Die nackte Kanone"

Platz 19: "Slap Shot"

Platz 18: "Foxcatcher"

Platz 17: "The Wrestler"

Platz 16: "Nowitzki. Der perfekte Wurf"

Platz 15: "Le Grand Bleu"

Platz 14: "White Men Can't Jump"

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SZ-Serie "Die besten Sportfilme", Platz 14
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