China:130 Überstunden, unbezahlt - Monat für Monat

Aldi, Adidas und Metro am Pranger: Menschenrechtler kritisieren die katastrophalen Arbeitsbedingungen in China. Selbst Ethikprogramme taugen kaum, um die Missstände zu beseitigen.

Silvia Liebrich

90 Überstunden und mehr pro Monat sind offenbar nichts Ungewöhnliches. Doch selbst für chinesische Verhältnisse überschreitet dies die Grenzen des Erlaubten. Erschreckend ist, dass auch deutsche Unternehmen und ihre Zulieferbetriebe in China wegen Verstößen gegen das Arbeitsrecht immer wieder in die Kritik geraten. Bei Lieferanten des Discounters Aldi und des Sportartikelherstellers Adidas kommt es laut einer neuen Studie teilweise zu gravierenden Rechtsverletzungen. Betroffen seien außerdem Großhandelsmärkte von Metro in China. Eine am Donnerstag veröffentlichte Studie des Südwind-Instituts für Ökonomie und Ökumene zeigt, dass selbst auferlegte Ethikprogramme der Firmen kaum dazu beitragen, diese Missstände zu beseitigen.

METRO in Schanghai

Wachstumsmarkt China: Nicht nur die deutschen Unternehmen Metro, Aldi und Adidas müssen sich ob der schlechten Arbeitsbedingungen Kritik gefallen lassen, sondern auch die Zulieferer.

(Foto: dpa/dpaweb)

"Am schlechtesten sind die Bedingungen bei Aldi-Zulieferern", sagt Ingeborg Wick, Autorin der Studie. Bei einem Textilhersteller in der Provinz Guangdong leisteten die Beschäftigten bis zu 130 Überstunden im Monat, meist ohne Bezahlung. Auch bei zwei Adidas-Lieferanten in der Provinz Fujian seien exzessive Überstunden üblich. Der Spitzenwert von 92 Überstunden im Monat überschreitet das Erlaubte laut Wick um 150 Prozent. Dies sei ein klarer Verstoß gegen chinesische Bestimmungen.

Das christliche Südwind-Institut moniert außerdem, dass die Löhne nur knapp über dem gesetzlichen Mindestlohn liegen. Bei einem der Adidas-Lieferanten werde ein Grundlohn von 660 Renminbi gezahlt, während der Mindestlohn 570 Renminbi betrage. Als existenzsichernd gelte ein Betrag von 1640 Renminbi, umgerechnet 163 Euro. "Die Lebenshaltungskosten in China sind zuletzt so stark gestiegen, dass eine Anhebung des Mindestlohns um 20 Prozent in diesem Jahr kaum etwas gebracht hat", meint Wick. Die niedrigen Löhne verstoßen ihrer Ansicht nach zwar nicht gegen chinesisches Recht, dafür aber gegen die Arbeitsrechtskonventionen der ILO, einer Unterorganisation der Vereinten Nationen, die von den Firmen unterzeichnet wurde. Missstände kritisiert Südwind auch in zwei Großmärkten von Metro. Dort erhalte das externe Personal keinen bezahlten Mutterschaftsurlaub und andere Sozialleistungen. "Durch die Vergabe von Jobs an Dienstleister spart der Konzern Kosten", sagt Wick.

Aldi bestätigte die Vorwürfe zumindest teilweise. "Die von Ihnen angesprochenen Missstände sind bedauerlicherweise in zahlreichen Fertigungsstätten Realität", heißt es in einem Schreiben des Discounters an Südwind. Das Unternehmen arbeite aber gemeinsam mit seinen Lieferanten an deren Behebung. Dies sei aufgrund der hohen Zahl der Betriebe jedoch schwierig und langwierig. Südwind deckte bereits vor drei Jahren schwere Verstöße in Zulieferbetrieben von Aldi auf.

"Wir nehmen die Hinweise sehr ernst und sind dabei, sie zu verifizieren", sagte eine Adidas-Sprecherin der SZ. "Wir haben klare Vereinbarungen mit unseren Lieferanten". Erlaubt seien in China maximal 60 Arbeitsstunden pro Woche. Die Metro erklärte, der Konzern setze die Normen der UN-Arbeitsorganisation so weit wie möglich in seinen Märkten in China um. Der Konzern zahle Angestellten ein Grundgehalt und biete Zusatzleistungen. Die Ergebnisse der Studie beruhen laut Südwind auf der Befragung von mindesten zehn Beschäftigten an jedem der acht untersuchten Standorte.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: