Löhne:Digitalisierung macht das Land reicher - und ungleicher

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Immer mehr menschliche Arbeitskraft wird durch die Digitalisierung überflüssig gemacht. In der Mitte der Gesellschaft geraten die Löhne durch den Einsatz von Computern und Robotern enorm unter Druck.

(Foto: Getty Images)

Die Digitalisierung ist keine Naturgewalt. Es ist durchaus möglich, sie zu gestalten und Gewinne endlich gerecht zu verteilen - zum Beispiel nach dem Vorbild Alaskas.

Kommentar von Catherine Hoffmann

Viele der großen ökonomischen Trends unserer Zeit - Globalisierung, Digitalisierung, Automatisierung - haben eines gemeinsam: Sie sind gut für die Gesellschaft, aber nicht unbedingt gut für jeden Einzelnen. Der Wandel der Wirtschaft führt zu einer stärkeren Ungleichheit der Einkommens- und Vermögensverteilung. Gerade auf dem Arbeitsmarkt schafft die neue Ökonomie auch Verlierer. Es war ein großer Fehler der Politik, dass sie dieser Entwicklung zugesehen hat wie einem Hurrikan, der übers Land fegt.

Aber Globalisierung und Digitalisierung sind keine Naturgewalten. Wirtschaftspolitik kann sie gestalten und sich gegen die Ungerechtigkeit auflehnen. Wie? Im Prinzip ganz einfach: Die Regierenden hätten den Globalisierungsgewinnern einen Teil ihrer Profite nehmen und sie den Verlierern geben müssen. So aber riss die Entwicklung einen tiefen gesellschaftlichen Graben auf, der den Aufstieg von Populisten beschleunigt hat. Der Spalt ist gewaltig, er darf durch den rasenden technologischen Fortschritt, den westliche Volkswirtschaften gerade durchlaufen, nicht noch größer werden. Dieses Mal muss es den Regierenden gelingen, die Märkte zum Wohle aller zu bändigen.

Gerade in der Mitte der Gesellschaft geraten die Löhne durch den Einsatz von Computern und Robotern enorm unter Druck. Am stärksten gefährdet sind Facharbeiter in der Produktion, die mit Lohneinbußen rechnen müssen. Zu den Gewinnern zählen dagegen die Manager an der Spitze von Unternehmen, die neueste und modernste Technologien einsetzen, vor allem aber deren Gründer und Eigentümer. Kurz gesagt: Digitalisierung macht das Land reicher und ungleicher. Ihre Erträge häufen sich in Form steigender Unternehmens- und Vermögenseinkommen auf der Kapitalseite. Der Faktor Arbeit geht dagegen - abgesehen von Beschäftigten am oberen Ende der Lohnskala - leer aus.

Die Folgen von Globalisierung und Digitalisierung kann man an den Statistiken ablesen. Während in Deutschland der Anteil der Arbeitseinkommen am Nationaleinkommen im Jahr 1975 noch 80 Prozent betrug, fiel er bis zum Jahr 2010 auf 70 Prozent. Spiegelbildlich nahmen die Kapitaleinkommen schneller als das allgemeine Wirtschaftswachstum zu; sie stiegen über diesen Zeitraum von 20 auf 30 Prozent des Nationaleinkommens. Die Höhe des Vermögens gewinnt damit zunehmend an Bedeutung für die gesellschaftliche Teilhabe, während die eigene Arbeitsleistung an Bedeutung verliert.

Eine Robotersteuer wäre der falsche Ansatz

Die wachsende Kluft lässt sich durch klassische Umverteilung nur schwer schließen. Denn ein Großteil dieser Umverteilung wird über die Systeme der Sozialversicherung geleistet, die finanzieren sich aber vorwiegend aus den bedrohten Arbeitskommen. Da die Lohnquote sinkt, gerät dieses System zunehmend selbst unter Druck. Auch eine Robotersteuer wäre der falsche Ansatz, folgt sie doch der rückwärtsgewandten Logik der Maschinenstürmer aus dem 19. Jahrhundert: Angriffe auf neue Technik, die Arbeitsplätze und soziale Verhältnisse zerstörte. Der Preis für eine neue Maschinenstürmerei wären erhebliche Wachstumseinbußen.

Besser ist es dann schon, die Digitalisierungsgewinne einzustreichen, aber gleichzeitig dafür zu sorgen, dass sie gerechter verteilt werden. Ausgangspunkt muss die Frage sein, wem die Roboter, Algorithmen und intelligenten Maschinen gehören und wem folglich die Gewinne daraus zufließen. Diese Gewinne sollten künftig fairer verteilt werden. Die einfachste Form dafür wäre ein Staatsfonds, der in hochproduktive Unternehmen investiert und allen Bürgern eine soziale Dividende aus seinen Erträgen sichert. Dafür gibt es ermutigende Beispiele.

So hat Alaska 1976 einen Staatsfonds gegründet, um die Gewinne aus den Ölvorkommen unters Volk zu bringen. Seit 1982 mit der Auszahlung begonnen wurde, hat sich Alaska von einem der US-Bundesstaaten mit der höchsten Einkommensungleichheit zu einem mit der geringsten entwickelt. Alaska könnte Vorbild für Deutschland sein - nur dass ein deutscher Staatsfonds nicht mit Vermögen aus Rohstoffen gespeist werden kann. Er bräuchte eine andere Geldquelle: wachstumsfreundliche Steuern.

Dazu müssten die Produktionsfaktoren Kapital und Land relativ zum Faktor Arbeit steuerlich stärker belastet werden. Konkret ließen sich Einnahmen aus einer Bodenwertsteuer erzielen. Die Erbschaftssteuer könnte deutlich ausgeweitet und die Kapitalertragsteuer in die Einkommensteuer integriert werden, sodass auch dort die Sätze und Einnahmen steigen. Vor allem aber müsste man endlich eine europäische Digitalsteuer einführen und unproduktive Finanzgeschäfte höher besteuern.

So ließen sich Jahr für Jahr viele Milliarden Euro für einen Fonds einsammeln, der nach einer Ansparphase Dividenden an jeden Bürger ausschüttet. Die Deutschen würden zum Volk der Aktionäre. Es wäre ein bisschen Sozialismus, geschaffen mit Mitteln des Kapitalismus.

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