Banken:Aufseher warnen vor Finanzkrise

Banken: Angesiedelt ist der Ausschuss bei der EZB, agiert aber trotzdem unabhängig. Die Expertinnen und Experten sehen vor allem drei schwerwiegende Probleme aufziehen.

Angesiedelt ist der Ausschuss bei der EZB, agiert aber trotzdem unabhängig. Die Expertinnen und Experten sehen vor allem drei schwerwiegende Probleme aufziehen.

(Foto: Dirk Sattler/IMAGO)

Zum ersten Mal in seiner Geschichte gibt der Europäische Ausschuss für Systemrisiken eine "allgemeine Warnung" heraus: Banken und Behörden sollten sich darauf vorbereiten, dass die verschiedenen Krisen auch den Finanzsektor anstecken.

Von Jan Diesteldorf und Meike Schreiber, Frankfurt

Europas Finanzsystem hat in den vergangenen Jahren so einiges weggesteckt. Auf die weltweite Finanzkrise folgten eine Staatsschuldenkrise in Europa, die Herausforderungen der Nullzins-Ära und zuletzt die Corona-Pandemie, die schlagartig Geschäftsmodelle erschütterte, Lieferketten zerriss und Risikomanager in Banken ins Schwitzen brachte. Kaum sind die Pandemie-Folgen einigermaßen unter Kontrolle, befeuern sich mehrere Krisenherde auf einmal. Die Inflation schießt über, die Energiekrise knebelt Europas Unternehmen, und der Kontinent rutscht absehbar in eine tiefe Rezession. Wie dramatisch die Lage ist, machte am Donnerstag der Europäische Ausschuss für Systemrisiken (European Systemic Risk Board, ESRB) deutlich: Erstmals seit seiner Einrichtung 2011 hat das Gremium eine "allgemeine Warnung" veröffentlicht.

Der ESRB sieht demnach "eine Reihe schwerwiegender Risiken für die Finanzstabilität". Diese Risiken könnten gleichzeitig eintreten, sich dabei "beeinflussen und ihre Auswirkungen verstärken". Konkret sieht der bei der EZB angesiedelte, aber unabhängig agierende Ausschuss drei schwerwiegende Probleme aufziehen: Erstens belasteten die schlechten Konjunkturaussichten und die Energiepreise absehbar die Bilanzen von Unternehmen und Haushalten - etwaige Insolvenzwellen und steigende Kreditausfälle treffen auch Banken empfindlich. Zweitens könnten die Preise von Vermögenswerten rasch einbrechen und Verwerfungen an den Finanzmärkten auslösen. Ein aktuelles Beispiel dafür sind die Abstürze des Pfund Sterling und britischer Staatsanleihen.

Drittens dürfte der Konjunktureinbruch laut ESRB zusätzlich die Profitabilität von Finanzinstituten belasten. "Zwar ist der europäische Bankensektor insgesamt gut kapitalisiert", schreiben die Aufseher. Die Banken haben demnach, anders als etwa noch vor einem Jahrzehnt, ausreichend Puffer, um Verluste aufzufangen. Allerdings lasten noch die Verwerfungen der Pandemie-Jahre auf den Bankbilanzen. Und gerade in Deutschland problematisiert die Finanzaufsicht schon seit Jahren, dass viele Banken wenig bis gar nichts verdienen, im Fall einer Rezession also schnell unter Druck geraten können. Weitere Risiken macht der ESRB im Immobiliensektor aus, wo in den vergangenen Jahren Wohn- und Geschäftsgebäude zu Niedrigstzinsen finanziert wurden, sowie mit Blick auf die Staatsverschuldung in Europa. Nicht zuletzt sei auch die Gefahr von größeren Cyberangriffen gestiegen.

Die unsichere Lage zeigt sich auch an der Börse, Bankaktien gehören zu den größten Verlierern

Ein Schlüsselwort in den Formulierungen des ESRB ist das sogenannte "tail risk". Darauf sollten sich Banken, Finanzmarktteilnehmer und die zuständigen Behörden unbedingt vorbereiten. Der Begriff bezeichnet (Rest-)Risiken, die laut Modellrechnungen besonders unwahrscheinlich sind. Oftmals haben aber gerade diese Ereignisse besonders massive Auswirkungen.

Die unsichere Lage spiegelt sich bereits in der Börsenentwicklung. Bankaktien gehörten in den vergangenen Tagen zu den größten Verlierern. Zugleich stiegen die Risikoprämien für Kreditausfallderivate von Banken sprunghaft an und kosteten so viel wie zu Beginn der Corona-Pandemie. Mit sogenannten Credit Default Swaps (CDS) sichern sich Investoren untereinander gegen die Pleite von Unternehmen, also auch gegen Pleiten von Banken, ab. Sie sind daher ein wichtiger Indikator dafür, wo die Marktteilnehmer die größten Risiken wittern. Die Swaps können bei Pleiten großer Unternehmen aber auch selbst gefährliche Kettenreaktionen auslösen.

Im Kontrast zum ESRB klingen die deutschen Aufseher bislang entspannter. Ihnen zufolge zeichnet sich keine Bankenkrise ab: Ein Belastungscheck für rund 1300 kleine und mittelgroße Institute habe gezeigt, dass die angenommenen Krisen derzeit für fast alle Geldhäuser beherrschbar seien, teilten Bundesbank und Bafin zuletzt mit. "Das Bankensystem zeigt eine zufriedenstellende Resilienz", sagte der für Bankenaufsicht zuständige Bundesbank-Vorstand Joachim Wuermeling. Angesichts der Entwicklung von Konjunktur, Inflation und Zinsen sei dennoch Vorsicht geboten. "Die Banken sollten sich nicht zurücklehnen", mahnte er.

Das simulierte Stressszenario käme an die Realität mittlerweile nahe heran. Die Institute müssen der Aufsicht melden, wenn ihr Eigenkapital durch Bewertungsverluste um mehr als fünf Prozent sinkt. Laut Bafin meldeten mehr als hundert Institute dies im laufenden Jahr. Nach aktuellem Stand seien die Banken aber für die Herausforderungen der kommenden Monate gut gerüstet. Ein Verbot, Boni und oder Dividenden auszuschütten, sei derzeit nicht geplant, heißt es auch bei der europäischen Bankenaufsicht. Während Corona hatten die Aufseher den Banken vorübergehend auferlegt, keine Dividenden an die Eigentümer auszuschütten, um die Rücklagen zu schonen.

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