Interview mit Claus Hipp:"Älterwerden ist eine gerechte Sache"

Auch im besten Rentenalter ist der Familienunternehmer Claus Hipp noch gut beschäftigt: Der 71-Jährige über den Konflikt der Generationen und den Reiz von Spielbanken.

Silvia Liebrich und Mike Szymanski

Claus Hipp hat zum Interview ins georgische Konsulat in München gebeten. Mehrmals in der Woche ist der Unternehmer hier zu finden, denn er ist Generalkonsul des osteuropäischen Landes. Das ist nur einer seiner vielen Nebenjobs. Ansonsten sieht er vielleicht gerade in Pfaffenhofen in der Babybrei-Produktion nach dem Rechten oder unterrichtet an der Universität in Tiflis Wirtschaftswissenschaften oder Malerei - der 71-Jährige ist ein vielbeschäftigter Mann. Gegen Mittag erwartet man ihn bereits in der Münchner Kunstakademie, am Abend dann in der Schweiz. Er hat eine Stunde Zeit.

Babynahrungshersteller Hipp

Eigentlich wäre er gern Maler oder Schauspieler geworden. Aber Claus Hipp übernahm dann doch die Geschäftsleitung des Babykostherstellers und verhalf Hipp zu weiterem Wachstum.

(Foto: ag.dpa)

SZ: Herr Hipp, besitzen Sie immer noch keine Aktien?

Hipp: Ich habe keine Ahnung vom Aktienmarkt. Mein Geld steckt in der Firma. Das Unternehmen selbst hat einen geringen Teil in Aktien angelegt für die Betriebsrenten. Wie viel genau, weiß ich nicht. Ich selbst spekuliere nicht.

SZ: Ist Spekulieren unanständig?

Hipp: Das soll jeder machen, wie er will. Ist es unanständig, in die Spielbank zu gehen?

SZ: Sicher nicht. Würden Sie in die Spielbank gehen?

Hipp: Nein.

SZ: Warum nicht?

Hipp: Sie können dort auf Schwarz und auf Rot setzen. Dann gibt es noch die Null. Rechnerisch werden Sie immer mit weniger Geld rausgehen, als Sie reingegangen sind. Die Gewinnchance liegt unter 50 Prozent. Genauso ist das beim Spekulieren. Es wurden Dinge versprochen, die nicht realistisch waren. Das haben wir ja jetzt in der Bankenmisere erlebt. Wenn eine Bretterhütte in Amerika mit einer hohen Hypothek beliehen wird, dann stimmt etwas nicht.

SZ: Wirtschaften wie im Spielkasino -, sind die Banken an allem schuld?

Hipp: Es kommt darauf an. Wir brauchen die Banken. Aber wenn Chance und Risiko nicht mehr in einem vernünftigen Verhältnis stehen, nähern wir uns Verhältnissen wie in einer Spielbank. Wer das will, der kann das machen. Ich mache das nicht.

SZ: Sie unterrichten Wirtschaftswissenschaften in Tiflis. Bringen Sie das auch Ihren Studenten in Georgien bei?

Hipp: Ich will vermitteln, dass es für einen Unternehmer nicht nur darum geht, möglichst schnell viel Geld zu machen. Er muss langfristig erfolgreich sein.

SZ: Ist das nicht selbstverständlich?

Hipp: Dort nicht. Die Eltern meiner Studenten sind im Kommunismus groß geworden. Nun erleben die Kinder, dass einige wenige in ihrem Land sehr schnell sehr reich werden. Diesen zweifelhaften Vorbildern muss man was entgegensetzen. Wir werden später nicht daran gemessen, wie viel Geld wir im Leben angehäuft haben. Sondern daran, was wir mit dem Geld gemacht haben.

SZ: Ihr Vater hat die Firma Hipp gegründet. Sie führen das Familienunternehmen weiter. Sie hatten es doch relativ leicht, oder?

Hipp: Es ist sicher ein Vorteil, aus einer Unternehmertradition heraus zu kommen. Es macht einen Unterschied, ob Kinder im Unternehmen groß werden und in eine Aufgabe hineinwachsen, oder ob jemand sich mit den Ellenbogen eine Position erkämpfen muss. Andererseits trägt man schon früh große Verantwortung.

SZ: Sind Sie streng erzogen worden?

Hipp: Mein Vater war sehr streng. Aber er war auch ein musischer, kunstinteressierter Mensch. Sein erstes Geld hat er mit Malen verdient. Als 14-Jähriger hat er schon im Münchner Glaspalast ausgestellt. Später hat er auch mir das Malen beigebracht.

SZ: Sie haben in Ihrer Jugend als Stuntman gearbeitet. Eine Rebellion gegen das strenge Elternhaus?

Hipp: Nein, ich war ein begeisterter Reiter. Ich kam ja aus der Landwirtschaft und konnte gut mit Pferden umgehen. Als Schüler und Student hatte ich immer wieder Rollen beim Film. Das habe ich wahnsinnig gern gemacht. Dafür habe ich dann auch noch Geld gekriegt. Das war eine herrliche Sache.

SZ: Was war Ihre Aufgabe?

Hipp: Zum Beispiel habe ich im Film "Gustav Adolfs Page" Curd Jürgens gedoubelt. Meine Aufgabe war es, für ihn vom Pferd zu stürzen. Ich habe über solche Rollen auch Lilo Pulver und Heinz Rühmann kennengelernt. Das war eine spannende Zeit für mich.

SZ: Sie haben sich dann doch für das Familienunternehmen entschieden. Das Geschäft von Hipp dreht sich um den Anfang des Lebens. Haben Sie Angst vorm Älterwerden?

Hipp: Älterwerden ist eine gerechte Sache. Älter wird jeder, das gehört zum Leben dazu. Angst habe ich nicht davor.

SZ: Woran liegt es, dass unsere Gesellschaft mit Alten längst nicht so fürsorglich umgeht wie mit Kindern?

Hipp: Unserer Gesellschaft fehlt ein vernünftiges und gutes Verhältnis zum Ende und zum Beginn des Lebens. Ich hoffe sehr, dass es uns gelingt, dies zu entwickeln. Unser Problem ist der starke Geburtenrückgang. Jede Generation wird ein Drittel weniger Kinder haben. Wir werden uns also zwangsläufig besser um die Alten kümmern müssen.

SZ: Wie kann das gehen, wenn es immer weniger gibt, die sie versorgen?

Hipp: Die Lebensarbeitszeit muss länger werden. Wir werden zwar auch immer einen Teil an Menschen haben, der nicht mehr in der Lage ist zu arbeiten. Aber es wird dank der besseren medizinischen Versorgung auch mehr Ältere geben, die noch arbeitsfähig und willig sind. Ihnen muss man eine Chance geben. Das allein wird aber nicht genügen, weil Arbeitskräfte fehlen. Ich bin überzeugt, dass wir in Deutschland unseren Lebensstandard nur durch Zuwanderung halten können.

SZ: Genau davor haben viele Deutsche Angst. Sie fürchten eine Überfremdung, und das führt zu Konflikten.

Hipp: Es gibt keine Alternativen, solange die Geburtenrate nicht steigt. Danach sieht es aber nicht aus. Außerdem: Deutschland war schon immer ein Einwanderungsland, das zeigt die Geschichte. Denken Sie nur an die Bajuwaren, die aus dem Böhmischen eingewandert sind. Auch nach dem Zweiten Weltkrieg gab es eine Einwanderungswelle. Wir sollten keine übertriebene Angst haben.

"Wir haben einen ausgeprägten Verbraucherschutz"

SZ: Ihren Brei löffeln auch Senioren gern - kann Ihre Firma von einer älter werdenden Gesellschaft profitieren?

Hipp: Ja, 20 Prozent von unseren Produkten gehen in den Erwachsenenbereich. Wir haben auch immer überlegt, spezielle Nahrung für ältere Leute zu machen. Das ist aber sehr schwierig, weil keiner diskriminiert werden will.

SZ: Brei für Alte wird es nicht geben?

Hipp: Nein. Den will keiner. Die meisten sehen das als Schritt in Richtung Blechnapf. Beim Essen sitzen die Leute gerne zusammen. Da möchte keiner ausgegrenzt sein, nur weil er etwas anderes isst.

SZ: Sie sind im besten Rentenalter und immer noch als Firmenchef aktiv. Wann ist der richtige Zeitpunkt aufzuhören?

Hipp: Meine Kinder sind jetzt schon in verantwortungsvollen Positionen. Die sind so ehrlich, dass sie mir schon sagen, wenn ich überflüssig bin. Wir haben da ein offenes Verhältnis.

SZ: Und Ihre Kinder stört es nicht, dass im Hintergrund noch immer der Vater sagt, wo es langgeht?

Hipp: Es ist die Art und Weise, wie man das macht. Ich sage meine Meinung, wenn ich gefragt werde, und sie fragen mich auch. Aber ich lasse mich durchaus überzeugen, Dinge anders zu sehen. Da haben wir keinen Generationenkonflikt.

SZ: Sie haben viel Erfahrung sammeln können. Ist die Branche anfälliger geworden für Lebensmittelskandale?

Hipp: In Deutschland gab es generell noch nie so gute Lebensmittel, wie wir sie jetzt haben. Unsere Kontrollverfahren sind inzwischen so genau, dass wir in einem mit Wasser gefüllten 50-Meter- Schwimmbecken ein Salzkorn finden können.

SZ: Die Wahrnehmung ist aber anders, nehmen wir das Beispiel Gammelfleisch.

Hipp: Schwarze Schafe hat es früher schon gegeben und sie gibt es immer wieder. Doch heute sind wir besser geschützt. Wir haben einen ausgeprägten Verbraucherschutz. Betrüger werden gefunden, da schaut auch die Branche selbst drauf.

SZ: Auch Hipp stand vor zehn Jahren im Fokus eines Lebensmittelskandals. Damals tauchte Biogeflügelfleisch auf, das mit dem hochgiftigen Pestizid Nitrophen belastet war. Wie sehr hat Ihnen das geschadet?

Hipp: Das Thema ist publik geworden, weil wir damals Spuren von Nitrophen in einer Probe Hühnerfleisch entdeckt haben, die uns zugesandt worden war. Dieses Fleisch ist aber nie in unsere Produktion gelangt. Uns wurde später vorgeworfen, dass wir den Befund nicht den Behörden gemeldet haben. Doch das ist Aufgabe des Lieferanten.

SZ: Hätten Sie in diesem schwerwiegenden Fall nicht selbst Meldung machen müssen?

Hipp: Selbstverständlich geht die Lebensmittelsicherheit immer vor. Unser damaliger Befund lag aber innerhalb der gesetzlichen Toleranzen, hat jedoch gegen die Hipp-internen Grenzwerte verstoßen. Wenn wir jeden solchen Befund der Behörde melden würden, hätten wir bald keine Lieferanten mehr. Im Übrigen hat damals keine Behörde behauptet, dass die gefundenen Mengen die Gesundheit gefährdet hätten. Wir müssen uns also nichts vorwerfen.

SZ: Hipp hat dennoch einen Imageschaden erlitten, oder?

Hipp: Die Gefahr besteht immer, dass die Sache an dem hängenbleibt, der etwas findet. Das ist unser Risiko.

SZ: 90 Prozent aller Beanstandungen gehen auf Etikettenschwindel zurück, Inhaltsangaben stimmen nicht. Preise werden verdeckt erhöht, indem Verpackungen verkleinert werden.

Hipp: Schlechtes Maß und Gewicht kommt vor Gottesgericht, sagt ein alter Handwerkerspruch. Aber es gibt immer wieder Änderungen bei den Verpackungsgrößen - nicht unbedingt immer aus Preisgründen. Manchmal ändern sich Vorschriften, manchmal Rezepturen, die das Volumen verändern können. Ein größerer Luftraum in der Verpackung hat normalerweise technische Ursachen, zum Beispiel, wenn sich das Füllgut nach dem Verpacken absetzt.

SZ: Anderthalb Millionen Gläschen verlassen täglich Ihre Werke. Kommt man angesichts des Erfolges nicht auch mal in die Versuchung, gierig zu werden?

Hipp: Was verstehen Sie unter gierig?

SZ: Mehr Erfolg, größere Gewinne.

Hipp: Das ist unser tägliches Brot. Wir müssen Erfolg haben, besser werden. Es reicht nicht, sich auf dem Erreichten auszuruhen. Gier ist, wenn ich mir mehr hole, als mir zusteht. Das ist nicht unser Verständnis von Wachstum.

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