Neues Steuerkonzept:Die SPD bewirbt sich fürs Finanzministerium

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Das SPD-Steuerkonzept gibt Martin Schulz wieder ein bisschen Aufwind. Und das nicht nur, weil die Union nichts dergleichen vorzuweisen hat.

(Foto: dpa)

Fünfzehn Milliarden Euro will die SPD in die Hand nehmen, um Gering- und Mittelverdiener zu entlasten. Das klingt enorm viel - ist aber nicht im Ansatz verschwenderisch.

Kommentar von Cerstin Gammelin

Auf einen Bierdeckel passt das Steuerkonzept nicht, das die SPD-Granden um Kanzlerkandidat Martin Schulz gerade vorgestellt haben, und es ist auch keine Revolution. Dennoch sind die Überlegungen eine sorgfältige Lektüre wert. Nicht nur, weil die politische Konkurrenz von der Union nichts dergleichen anzubieten hat. Sondern vor allem, weil die SPD einen klugen Weg aufzeigt, wie der Wohlstand in Deutschland mittels einiger Korrekturen bei Steuern und Abgaben gerechter verteilt werden kann.

Insgesamt 15 Milliarden Euro wollen die Sozialdemokraten in die Hand nehmen, um dafür zu sorgen, dass die Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen künftig mehr Geld in der Tasche haben. Die Summe klingt angesichts der bundesdeutschen Kassenüberschüsse eher solide gerechnet denn verschwenderisch. Zur Glaubwürdigkeit des Konzepts trägt bei, dass die Sozialdemokraten auf neue, schön klingende Versprechen verzichten. Stattdessen erklären sie, wie sie die vorgetragenen Ankündigungen tatsächlich umsetzen wollen.

Die Unternehmen sollen wieder mehr beitragen

Bemerkenswert ist, dass die Sozialdemokraten den umstrittenen Solidaritätszuschlag direkt von 2020 an abschaffen wollen, erst hälftig, dann komplett. Das zeugt von Realitätssinn und von Ehrlichkeit. Denn klar ist, dass der Solidarpakt zum Aufbau Ostdeutschlands 2020 ausläuft und mithin danach kein Grund mehr besteht, weiter den Solizuschlag zu kassieren. Damit fallen künftig 20 Milliarden Euro an Einnahmen für den Bundeshaushalt weg. Es ist also angebracht, diese Summe bei jeglichen Steuersenkungsversprechen von vornherein einzukalkulieren. Noch dazu, da das Bundesverfassungsgericht kürzlich eine andere Steuer - die für atomare Brennelemente - konsequent als zweckentfremdet deklarierte. Der Bund wurde zu Milliardenrückzahlungen verdonnert.

In die richtige Richtung geht auch der Ansatz, die Bezieher sehr geringer Einkommen bis zu 1300 Euro monatlich nicht über die Steuer, sondern über Zuschüsse zu den Sozialabgaben zu entlasten und gleichzeitig deren Rentenansprüche zu sichern. Als gerecht ist auch zu werten, dass die SPD wieder zu dem unter Bismarck eingeführten Prinzip der paritätischen Finanzierung der Krankenversicherung zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern zurückkehren will. Es spricht angesichts der robusten Wirtschaft nichts dafür, dass Arbeitnehmer mehr zahlen sollen als Unternehmer.

Wie bemüht die Sozialdemokraten waren, der politischen Konkurrenz keine Gelegenheit zu geben, als Geldverschwender verspottet werden zu können, zeigt ein Detail. Trotz aller Erleichterungen bei Steuern und Abgaben wollen die Genossen die schwarze Null erhalten. Immerhin waren sie so ehrlich zu erklären, dass sie dafür anderswo mehr Steuern kassieren wollen. Bei den Vermögenden, bei Kapitalgesellschaften und bei Steuerflüchtigen.

Alles in allem liest sich das SPD-Steuerkonzept wie eine Bewerbung um den Chefsessel im Bundesfinanzministerium. Den Versuch wäre es jedenfalls wert.

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