Personalführung bei Kik:Erst ausspioniert, dann rausgeworfen

Neue Vorwürfe: Der Textildiscounter Kik wird abermals beschuldigt, dass er hochverschuldete Mitarbeiter vor die Tür setzte. Dass er die Vermögensverhältnisse der Belegschaft durchleuchtet hatte, ist bereits erwiesen.

Kristina Läsker, Hamburg

Gegen den Textildiscounter Kik werden neue Vorwürfe erhoben im Zusammenhang mit dem Ausforschen von Mitarbeitern. Die Billigkette habe jahrelang die privaten Vermögensverhältnisse von Beschäftigten ausspioniert und versucht, sich von jenen zu trennen, die in finanziellen Schwierigkeiten steckten, berichtet das ARD-Magazin Panorama und beruft sich auf einen langjährigen Kik-Bezirksleiter. Guido Hagelstede, der dem Bericht zufolge für bis zu 15 Filialen und mehr als 100 Mitarbeiter verantwortlich war, sagte demnach, dass sich Deutschlands größter Textildiscounter von allen Mitarbeitern getrennt habe, die eine eidesstattliche Versicherung abgegeben hätten oder für die eine Haftandrohung vorliege. Diese Anweisung sei schriftlich aus der Zentrale gekommen.

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Ein langjähriger Bezirksleiter des Textildiscounters Kik macht dem Einzelhändler schwere Vorwürfe: Er sei angewiesen worden, sich von insolventen Mitarbeitern zu trennen, selbst wenn Kündigungsschutz bestanden habe. "Es war immer so, dass man sich dann irgendetwas aus den Fingern saugen musste", wird die ehemalige Führungskraft zitiert.

(Foto: ag.ddp)

Meistens habe er als Bezirksleiter den Betroffenen während der Probezeit kündigen müssen oder befristete Arbeitsverhältnisse auslaufen lassen, sagte Hagelstede. Es sei problematisch gewesen, Mitarbeitern zu kündigen, für die Kündigungsschutz galt. "Es war immer so, dass man sich dann irgendetwas aus den Fingern saugen musste", wird der Ex-Bezirksleiter zitiert.

Bereits 2009 hatte Kik, eine Tochter der Supermarktkette Tengelmann, eingeräumt, die Bonität aller 49000 Mitarbeiter systematisch abgefragt zu haben. Die Firma hatte aber stets bestritten, Mitarbeiter wegen ihrer schlechten finanziellen Situation entlassen zu haben. Am Donnerstag wollte sich Kik nicht zu den neuen Vorwürfen äußern.

Vor mehr als zehn Jahren schon hatte Kik mit dem Ausspähen von Angestellten begonnen und einen Vertrag mit Creditreform abgeschlossen. Das ist eine private Finanzauskunftei, die Daten über Schuldner sammelt. Creditreform recherchiert öffentlich zugängliche Informationen über private Insolvenzen, rechtskräftig festgestellte Forderungen, Offenbarungseide oder laufende Inkassoverfahren. Wer diese Auskünfte abrufen will, muss ein "berechtigtes Interesse" nachweisen. Rechtlich unbestritten ist dies etwa für Versandhäuser wie Otto. Kik hatte die Abfrage damit begründet, dass die Angestellten auch an der Kasse eingesetzt wurden.

Ob Arbeitgeber wie Kik ihre Mitarbeiter in dieser Form durchleuchten dürfen, ist hart umstritten. "Die pauschale Abfrage der Bonität in dieser Breite war datenschutzrechtlich nicht zulässig", sagte der Sprecher der Landesbeauftragten für Datenschutz in Nordrhein-Westfalen (NRW). Diese Datenschützer sind zuständig, weil die Zentrale von Kik in Bönen liegt und damit in NRW. Man habe dem Discounter aber zuletzt nicht nachweisen können, dass er den Mitarbeitern habe schaden wollen, so der Behördensprecher. Nachdem die Ausspäherei bekannt geworden war, hatten die Datenschützer im Mai 2009 einen Strafantrag gegen Kik bei der Staatsanwaltschaft in Dortmund gestellt. Kurz danach hatte der Textildiscounter den Vertrag mit Creditreform gekündigt.

Die Staatsanwaltschaft Dortmund hatte die Ermittlungen zunächst aufgenommen, aber das Verfahren im März mangels hinreichendem Tatverdacht eingestellt. "Konkrete Fälle, in denen Mitarbeitern wegen ihrer schlechten finanziellen Verhältnisse gekündigt worden war, sind nicht bekannt", begründete die Staatsanwaltschaft diese Entscheidung. Es hätten sich zudem keine Beschäftigten gemeldet, denen ein Nachteil durch die Bonitätsabfrage erwachsen sei.

Kik habe zudem zahlreiche Mitarbeiter benennen können, die trotz negativer Auskunft weiter beschäftigt worden seien, sagte die zuständige Oberstaatsanwältin Ina Holznagel. Ob das Verfahren wegen der neuen Aussagen des ehemaligen Bezirksleiters wieder aufgegriffen wird, wollte Holznagel am Donnerstag nicht kommentieren. "Was von dem angeblich neuen Zeugen zu halten ist, können wir nicht beurteilen. Bei uns hat er sich nicht gemeldet."

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