Reden wir über Geld: Anwalt Stefan Seitz:"Er wollte lieber mehr Cash"

Der Anwalt Stefan Seitz über das Kalkül ahnungsloser Fußballer, Angebote zur Steuerhinterziehung und die seltsamen Sitten internationaler Vereine.

Detlef Esslinger und Philipp Selldorf

Der Fußballtrainer Christoph Daum, der Manager Reiner Calmund, der Rennfahrer Nick Heidfeld: Sie alle sind Klienten des Kölner Anwalts Stefan Seitz, der sowohl im Sport als auch in der Wirtschaft Kunden berät. Bei dieser Aufgabe hat Seitz, 45, die Welt genauso gut kennengelernt wie die Halbwelt: Windige Berater, ahnungslose Fußballer und seltsame Sitten internationaler Vereine. Höchste Zeit für ein Gespräch.

Dr. Stefan Seitz

Der Kölner Anwalt Stefan Seitz berät Kunden im internationalen Fußball. Bei dieser Aufgabe hat Seitz, 45, die Welt genauso gut kennengelernt wie die Halbwelt.

(Foto: Gauger)

SZ: Was ist eigentlich die türkische Militärstiftung?

Stefan Seitz: Ich ahne, worauf Sie anspielen.

SZ: Sie haben im Juni für den Fußballtrainer Christoph Daum einen Aufhebungsvertrag bei seinem Verein Fenerbahce Istanbul verhandelt. Hinterher hieß es, Daum spende zehn Prozent seiner Abfindung an diese Militärstiftung.

Seitz: Mit diesem Teil des Vertrags hatte ich nichts zu tun. Es war sicher eine strategische Maßnahme.

SZ: Eine was?

Seitz: Die Stiftung scheint in der Türkei angesehen, und es ging darum, die Reputation beider Seiten zu wahren.

SZ: War das nötig?

Seitz: Stellen Sie sich vor: Sie haben als Club einen Vertrag über drei Jahre abgeschlossen, ohne Kündigungsmöglichkeit, sehr hoch dotiert. Nun wollen Sie raus. In so einem Fall suchen Vertragsparteien überall auf der Welt nach Gründen, diese Summe nicht zahlen zu müssen. Da kommen auf einmal angebliche Vertragsverletzungen zur Sprache, und es gibt die Zermürbungstaktik: Wie kann man dem Vertragspartner den Spaß an der Arbeit nehmen? Zum Beispiel den Trainer zur Saisonvorbereitung antreten lassen, aber das Trainingsgelände ist eine einzige Baustelle. Bei Fenerbahce war der Emotionsgrad sehr hoch.

SZ: Obwohl Daum die Meisterschaft nur um einen Punkt verpasst hatte.

Seitz: Der Erfolgsdruck war immens, der Präsident hatte vor der Saison die Meisterschaft über alles gesetzt.

SZ: Eine türkische Zeitung schrieb, Sie hätten den Verein bei den Verhandlungen gefoltert.

Seitz: Wir foltern nicht, sondern verhandeln. Und haben dabei ein angemessenes Ergebnis erzielt.

SZ: 2,4 Millionen Euro Abfindung.

Seitz: Zahlen nenne ich nicht.

SZ: Warum werden Zahlen im Fußball immer öffentlich, selbst wenn Schweigen verabredet wurde?

Seitz: In der Industrie haben allein der Vorstand und die Presseabteilung Medienkontakte. Wer das operative Geschäft betreibt, hat mit der Presse nichts zu tun. Im Fußball aber kennen alle Zuständigen im Club die Sportjournalisten. Die sind alle nett und immer gut drauf. Und dann unterhält man sich quasi über sein Hobby. Ist doch ein Unterschied, ob der Gesprächseinstieg ist: Wie hat denn der Poldi wieder gespielt! Oder ob ich jemandem vorhalten muss, Mensch, hast du schon wieder 500 Leute entlassen.

SZ: Sie vertreten oft Sportler mit Problemen: Reiner Calmund, Christoph Daum, Nick Heidfeld und so weiter.

Seitz: Das sind alles sehr erfolgreiche Menschen.

SZ: Sind Verhandlungen mit ausländischen Fußballclubs für Sie schwieriger als mit deutschen?

Seitz: Es stellen sich andere Fragen. Wir hatten den Fall Calmund, der Ärger mit seinem früheren Verein Bayer Leverkusen hatte, weil angeblich Belege für Zahlungen fehlten. Es ging um Spieler vom Balkan. Das Problem ist: Wenn Sie auf dem Balkan Belege fordern, kommt eine ganze Schubkarre voll davon. Generell gilt: Sie brauchen Sicherheiten, dass das Geld auch wirklich fließt.

SZ: Der Zusage eines internationalen Großklubs kann man nicht vertrauen?

Seitz: Doch, klar. Aber wenn Sie im Ausland dem Geld hinterherlaufen, wird's immer unangenehm. Also lässt man Bankbürgschaften hinterlegen. Oder man legt fest, dass der Vertrag erst bei Zahlungseingang als aufgelöst gilt.

"Die Versuchung ist größer"

SZ: Erschweren Klienten wie Daum oder Calmund, also Menschen, die unter Redseligkeit leiden, das Geschäft?

Reden wir über Geld: Anwalt Stefan Seitz: Ligaspiel von Fenerbahce Istanbul (in den gelb-blauen Trikots) gegen Trabzonspor Kulübü: Aufhebungsvertrag für Christoph Daum verhandelt.

Ligaspiel von Fenerbahce Istanbul (in den gelb-blauen Trikots) gegen Trabzonspor Kulübü: Aufhebungsvertrag für Christoph Daum verhandelt.

(Foto: AP)

Seitz: Herr Calmund ist zwar redselig. Aber als es 2004 um die Aufhebung seines Vertrags in Leverkusen ging, war er absoluter Profi. Nur ein einziges Mal ist er vom Konzept weggaloppiert, als er in einer Pressekonferenz erzählte wie der Fußballer Cacau mit seinem Berater, einem Sambatrommler, zur Verhandlung kam. Sonst gilt: Herr Calmund ist offen für Beratung - das kann man von vielen Sportlern nicht sagen.

SZ: Ist dieses Syndrom verbreiteter als in der Industrie?

Seitz: Ja. Aber auch die Versuchung ist größer. Wenn einer ständig angefragt wird, hält manchmal auch die beste Absprache nicht.

SZ: Oder fehlt es vielen Sportlern an echter Beratung, trotz all derjenigen, die unter der Bezeichnung Spielerberater auftreten?

Seitz: Ich habe eine enge Verbindung zum Hockey. Und ich sehe immer wieder die These bestätigt, dass ein Ex-Hockeyspieler mit Mitte 40 tendenziell besser dasteht als sein Kollege vom Fußball. Sowohl vom Geld als auch vom Status her. Und das, obwohl der Hockeyspieler nur ein paar tausend Euro verdient hat, der Fußballer aber Millionen. Das ist ein atemberaubendes Phänomen. Da sieht man, wie viel im Fußball falsch gemacht wird.

SZ: Wie viel haben Sie als Bundesligaspieler bekommen?

Seitz: 800 Mark im Monat in meiner zusätzlichen Funktion als Jugendtrainer. Wenn es gut lief.

SZ: Und heute sind Sie Partner einer großen Kanzlei, zu Ihren Terminen bringt Sie ein Fahrer...

Seitz: ... den mir übrigens Herr Calmund empfohlen hat.

SZ: Wie erklären Sie den Unterschied zwischen Fußball und Hockey?

Seitz: Fußballer bekommen so viel Geld, dass ihre Sicht auf die Karriere nach der Karriere vernebelt wird.

SZ: Das klingt jetzt aber leicht missgünstig.

Seitz: Um Gottes willen, nein. Die Jungs sollen ruhig das Gefühl haben, erfolgreich zu sein. Die sollen einen Ferrari für 300.000 Euro kaufen. Die Frage ist doch: Was machen sie mit dem Rest? Was kommt nach der Karriere? Damit beschäftigen sich viele nicht. Das liegt auch an der Beratung. Die beschränkt sich fast ausschließlich auf die Sportkarriere. Dagegen unser Hockeyprojekt: Wir vermitteln den Spielern nicht nur den Club Rot-Weiss Köln, sondern auch Jobs, bei einem Versicherer, bei einer Industriefirma und in Kanzleien. Wir öffnen Türen. Und jetzt überlegen Sie mal, was ein Fußballer da für Möglichkeiten hätte, erst recht ein Nationalspieler. Einer wie Thomas Müller, der würde doch jederzeit einen Termin bei Angela Merkel kriegen. Aber die meisten nutzen sowas nicht.

SZ: Warum gibt es für Fußballer kaum Beratung?

Seitz: Wenn Sie die Jungs fragen, hören Sie immer wieder: Ich wollte am Anfang nur spielen, alles andere hat mich nicht interessiert. Ich war so froh, der Berater hat mir den Fernseher angemeldet, die Lebensversicherung organisiert und so weiter. So entsteht Vertrauen, und das, was einem abgenommen wird, wird immer größer. Es folgen irgendwelche Bauherren- und Steuermodelle, aber das ist doch nicht der Bedarf, den ein Sportler später hat.

SZ: Lohnt sich die Arbeit mit Sportlern? Wenn Daum seinen Vertrag in Istanbul auflöst, was haben Sie davon?

Seitz: Wir rechnen mit unseren Sportlern ab wie mit Industriekunden, also nach Gebührenordnung oder Stundensatz. Ich kenne natürlich die Beraterverträge, die es so gibt. Ist aber nicht unser Geschäft. Man kommt da schnell in eine Grauzone, in der es keine Spielregeln gibt. Wir hatten einen Fall, da ging es um die Vertragsverlängerung eines Spielers um drei Jahre. Dem Club war es egal, wie der Spieler das Finanzielle mit seinem Berater regelt. Er hatte den Ruf, eh zu machen, was der Berater sagt. Also wollte der Club den Berater einstimmen. Verhandelt wurde daher nur über ein Gesamtbudget, am Ende 20 Millionen Euro. Und dann hieß es zwischen Spieler und Berater: Wir machen halbehalbe.

SZ: Na und?

Seitz: Es hat bei beiden zu immensen Steuerproblemen geführt.

SZ: Und ein Berater hat dafür keine Antennen?

Seitz: Einmal brach ich die Verhandlungen ab. Da saß der Spieler hier am Tisch, mit seinem in der Branche sehr bekannten Berater. Der wollte ihm irgendein Steuerkonstrukt mit den Cayman Islands schmackhaft machen. Habe er schon tausendmal gemacht. Ich habe gesagt: Das wäre Steuerhinterziehung im großen Stil. Wir haben ihm eine Alternative aufgezeigt. Die hätte ihn 20 Prozent mehr Steuern gekostet. Die Frage war: Will er mehr Cash oder besser schlafen?

SZ: Und?

Seitz: Er wollte lieber mehr Cash.

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