Ungleichheit:Das Ersparte vieler Deutscher würde nicht lang reichen

Ungleichheit: Die Vermögensdifferenzen sind in Deutschland so groß sind wie nirgends sonst in der Euro-Zone.

Die Vermögensdifferenzen sind in Deutschland so groß sind wie nirgends sonst in der Euro-Zone.

Fielen plötzlich alle Einnahmen weg, kämen die meisten Haushalte nur ein paar Wochen über die Runden, zeigt eine Studie. Die will bewusst provozieren.

Von Alexander Hagelüken

Viele Menschen in Deutschland hätten schnell große Probleme mit einem finanziellen Notfall: Jeder dritte Haushalt könnte seine Konsumausgaben nur wenige Wochen lang aus dem Ersparten heraus bezahlen. Nach dem neuen Verteilungsbericht des gewerkschaftsnahen Düsseldorfer WSI-Instituts haben die ärmsten 20 Prozent sogar praktisch gar keine Rücklagen. Die reichsten fünf Prozent der Haushalte dagegen könnten demnach von ihren Ersparnissen länger als 20 Jahre leben.

Die Daten des Verteilungsberichts 2017 (hier als PDF) illustrieren plastisch die großen Vermögensunterschiede in der Bundesrepublik. Nach Angaben der Industrieländer-Organisation OECD besitzen die reichsten zehn Prozent der Menschen hierzulande mehr als 60 Prozent des gesamten Vermögens. Nach dem neuen WSI-Bericht ist der Reichtum inzwischen noch etwas ungleicher verteilt als zur Jahrtausendwende. Vor allem bei den Einkommen sind die Unterschiede demnach seitdem deutlich größer geworden. Ökonomen machen für diesen Trend, der auch in vielen anderen Industriestaaten zu beobachten ist, unter anderem Globalisierung, jobsparende neue Technologien und den Abbau von Sozialleistungen verantwortlich.

Allerdings profitierten die Arbeitnehmer in den vergangenen Jahren auch von der starken Konjunktur, die Löhne sind real gestiegen. Auch die soziale Ungleichheit hat seit 2005 nicht mehr zugenommen. Die neuartige Berechnung der Düsseldorfer Forscher ist auch deshalb zugespitzt, weil sie einen vollständigen Wegfall aller Einkommen annehmen, sodass alle Ausgaben dann mit den Ersparnissen abgedeckt werden müssten. In der Realität würden Bürger in einer Krise wie längerer Krankheit, Scheidung oder Arbeitslosigkeit aber soziale Leistungen oder Unterhalt erhalten. Die gewählte Berechnungsmethode soll deshalb die Vermögensdifferenzen, die in der Bundesrepublik nach Daten des Berliner DIW-Instituts so groß sind wie nirgends sonst in der Euro-Zone, auf neue Art deutlich machen.

Unterstellt wurden dabei Konsumausgaben inklusive Wohnen von durchschnittlich knapp 1300 bis 2600 Euro pro Haushalt. Bei ostdeutschen Haushalten reichen die Ersparnisse im Schnitt nur halb so lang wie bei westdeutschen. Alleinerziehenden fällt es demnach besonders schwer, Einkommensausfälle über Vermögen auszugleichen.

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