Verhaltensforschung:Gähnen für die Freundschaft

Lesezeit: 1 min

Gähnen steckt an - und wird von Forschern als Zeichen von Empathie gewertet. Wenn also ein Zwergschimpanse gähnt, reißen seine Artgenossen auch herzhaft ihr Maul auf? Oder lässt sie das Verhalten der anderen Affen kalt?

Von Werner Bartens

Dass Gähnen ansteckend ist, weiß jeder, der schon mal an einer langweiligen Sitzung teilgenommen hat. Die Fähigkeit, sich gemeinsam dem Gefühl spontaner Müdigkeit zu ergeben, wird unter Wissenschaftlern als Zeichen der Empathie gewertet. Ob und wie intensiv Tiere zu diesen Gesten des Mitgefühls in der Lage sind, ist allerdings umstritten. Italienische Biologen um Elisabetta Palagi haben untersucht, ob auch Bonobos - enge Verwandte des Menschen - vom Gähnen anderer Tiere angesteckt werden und ob es einen Unterschied macht, wie nahe ihnen der Affe steht, in dessen Gesellschaft sie sich befinden ( PeerJ, Bd. 2, S. e519, 2014).

Emotionale Bindungen machen den Menschen einzigartig

Im Verlauf von fünf Jahren beobachteten die Forscher 33 Menschen und 16 Affen immer wieder in ihrem Alltag. Menschen wie Bonobos fingen ähnlich oft und in ähnlichem zeitlichen Abstand an zu gähnen, wenn ihnen ihr Gegenüber nur flüchtig bekannt war. Diese Form der allgemeinen Empathie war in beiden Versuchsgruppen vergleichbar stark ausgeprägt.

Waren die Versuchsteilnehmer jedoch miteinander befreundet oder verwandt, reagierten die Menschen öfter und auch schneller als die Bonobos auf ein Gähnen des anderen und gähnten ebenfalls. Die Forscher erklären dieses Verhalten mit den besonders engen emotionalen Bindungen, wie sie wohl nur Menschen eingehen können.

Nähe trägt offenbar zu einem besonders empathischen Verhalten bei. Spielt diese in der Beziehung aber keine Rolle, reagiert der Mensch auf sein Gegenüber genauso dezent empathisch wie jeder andere Affe auch. Dieser Befund könnte zwar eine Erklärung dafür liefern, warum Menschen zu besonderem Mitgefühl fähig sind. Andererseits wurden die Spiegelneuronen zuerst an Affen entdeckt, erst dann am Menschen. Spiegelneuronen sind Nervenregionen im Gehirn, die in ähnlichem Ausmaß aktiviert werden, egal ob eine Handlung selbst ausgeführt oder nur beobachtet wird.

© SZ vom 13.08.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: