Coronavirus:Bundesregierung will Immunität in der Bevölkerung erfassen

Coronavirus: Hendrik Streeck, Direktor des Instituts für Virologie und HIV-Forschung an der Universität Bonn, bei einem Fernsehauftritt im Jahr 2020.

Hendrik Streeck, Direktor des Instituts für Virologie und HIV-Forschung an der Universität Bonn, bei einem Fernsehauftritt im Jahr 2020.

(Foto: Jürgen Heinrich via www.imago-images.de/imago images/Jürgen Heinrich)

Der Bonner Virologe Hendrik Streeck soll eine Studie leiten, um herauszufinden, wie gut die Bevölkerung vor Sars-CoV-2 geschützt ist und wo die größten Impflücken bestehen. Ziel ist eine bessere Vorbereitung auf den Herbst.

Von Christoph von Eichhorn

Das Bundesforschungsministerium (BMBF) hat eine repräsentative Studie angekündigt, um den Grad der Immunität gegen Sars-CoV-2 in der Bevölkerung zu messen und um festzustellen, bei welchen Gruppen die Impflücken besonders groß sind. Leiten soll die Studie der Bonner Virologe Hendrik Streeck, die ersten Ergebnisse werden für September erwartet.

"Die Covid-19-Pandemie ist noch nicht vorbei", sagte Forschungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) bei der Vorstellung der Studie am Freitag. "Wir sehen eine Sommerwelle, die uns mahnt, uns gut auf den Winter vorzubereiten." So fehlten der Politik bislang Daten zum Grad der Immunisierung in der Bevölkerung. Diese soll die Studie "Immunebridge" nun liefern.

Grundlage ist zum einen eine Befragung von 29 500 Personen zu ihrem Impfstatus, möglichen Corona-Infektionen und anderen Vorerkrankungen. Auch die Einstellung gegenüber der Corona-Impfung soll ermittelt werden, um den Grad der Impfskepsis festzustellen. In einem nächsten Schritt sollen die Befragten per Post einen Bluttest zugeschickt bekommen, den sie selbst vornehmen können. Die Probe wird anschließend im Labor untersucht, um Rückschlüsse auf die Zahl der Antikörper sowie eventuell unbemerkt durchgemachte Corona-Infektionen zu ziehen.

"Es könnte sein, dass bestimmte Risikogruppen ihre Immunität schon vollständig verloren haben."

Man müsse mit einem Anstieg der Corona-Zahlen im Herbst und Winter rechnen, sagte der Virologe Hendrik Streeck. "Wie stark die Belastung der Intensivstationen ausfallen wird, hängt auch davon ab, wie hoch die Grundimmunität ist." Zwar erfasst auch das Robert-Koch-Institut die Impfquote in der Bevölkerung. Der Anteil der Personen, die drei Mal gegen Sars-CoV-2 geimpft sind, liegt demnach aktuell bei 61,6 Prozent. Allerdings ist laut Streeck mit einer Untererfassung zu rechnen, die Impfquote könne um bis zu fünf Prozent höher liegen.

Zudem sagt die Impfquote allein noch nichts darüber aus, wie stark die Immunität im Verlauf der Zeit zurückgeht. Darüber soll die Studie mithilfe der Messung von Antikörpern ein genaueres Bild liefern. Während der Gehalt von Antikörpern gegen das Spike-Protein des Coronavirus vor allem auf eine Schutzwirkung aufgrund der Impfung schließen lässt, soll zusätzlich die Zahl von Nukleokapsid-Antikörpern gemessen werden. Sie können ein Hinweis auf eine möglicherweise unbemerkt durchgemachte Corona-Infektion sein.

Auch die Immunität von Kindern soll erfasst werden

Ziel sei es zu verstehen, ob bei manchen gesellschaftlichen Gruppen Impflücken bestehen, "wo man dann gezielt mit einer Impfung reingehen kann", so Streck. Denkbar sei etwa, dass Menschen mit Vorerkrankungen einen besonderen Bedarf für eine weitere Impfung hätten. "Es könnte auch sein, dass bestimmte Risikogruppen ihre Immunität schon vollständig verloren haben", sagte Streck weiter.

Eine Schwierigkeit bei einer solchen Studie ist allgemein, eine ausreichend große, repräsentative Stichprobe aus der Bevölkerung zu bilden. Hierfür ist das Umfrageinstitut Dimap zuständig, das laut Streeck bereits über ein solches repräsentatives Panel verfügt. Die Gruppe wurde demnach aus Nutzern des Bonussystems "Payback" zusammengestellt, sie wird beispielsweise bereits für Wahlumfragen zurate gezogen. Da die Personen das Einverständnis, kontaktiert zu werden, schon erteilt hätten, könnten die Befragungen nächste Woche starten, so Streeck. Zudem fließen in die Studie Kohorten mit Minderjährigen ein, die an verschiedenen Universitäten laufen, um auch die Immunität von Kindern zu erfassen.

Das BMBF fördert die Studie, die bis Dezember laufen soll, mit insgesamt drei Millionen Euro. Erste Ergebnisse soll es im September geben, also nach Hoffnung der Initiatoren vor Beginn der Herbstwelle.

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