Ex-Rechtspopulist Stefan Petzner:"Die Leute in der AfD-Spitze verhalten sich wie Amateure"

Petzner of BZOe attends an inquiry hearing in Vienna

Stefan Petzner: "Wenn man die eigene rechtspopulistische Propaganda anfängt zu glauben, wird es gefährlich."

(Foto: REUTERS)

Als Jörg Haiders Vertrauter machte Stefan Petzner ausländerfeindliche Wahlkämpfe, nun warnt er vor Rechtspopulismus.

Interview von Leila Al-Serori und Oliver Das Gupta, Wien

Stefan Petzner, Jahrgang 1981, war jahrelang Vertrauter des österreichischen Rechtspopulisten Jörg Haider. Zunächst für die radikal rechte FPÖ, dann für Haiders Parteineugründung BZÖ machte Petzner umstrittene Wahlkampagnen und fungierte als Pressesprecher. Nach Haiders Unfalltod 2008 zog sich Petzner schrittweise aus der aktiven Politik zurück. Weil er Steuergeld für Wahlkampfbroschüren veruntreute, wurde der Steirer zu zehn Monaten auf Bewährung verurteilt. Heute ist Petzner als Kommunikationsberater und Buchautor tätig. Kürzlich erschien "Trump to go: Eine kurze Erklärung, wie Populismus funktioniert" (Verlag: edition a).

SZ: Herr Petzner, Sie waren selbst Populist - nun klären Sie auf, wie Populismus funktioniert. Wie kam es zu diesem Gesinnungswandel?

Stefan Petzner: Es gibt keinen Gesinnungswandel. Der Mensch, der ich heute bin, war ich immer. Nämlich ein Liberaler. Ich habe populistische Wahlkämpfe mit Jörg Haider gemacht, dabei aber immer zwischen Job und privaten Ansichten unterschieden. Die kritische Distanz zu sich selbst ist wichtig: Wenn man die eigene rechtspopulistische Propaganda anfängt zu glauben, wird es gefährlich.

Ihr umstrittenster Wahlkampf war 2008. Damals haben Haider und Sie "Kärnten wird tschetschenenfrei" plakatiert. Wie stehen Sie zu solchen Kampagnen heute?

So wie damals: Ich habe den Slogan gemacht, weil ich gewusst habe, dass er funktioniert. Wäre ich etwa Wahlkampfmanager in Deutschland gewesen, hätte ich ihn nicht gemacht. Denn dort ginge so ein Plakat nach hinten los und würden Stimmenverluste bedeuten. Und war ich als Mensch jemals dafür, eine gesamte Volksgruppe des Landes zu verweisen? Nein, war ich nie. Populismus war mein Job. Und den habe ich eben versucht so gut es geht zu erfüllen.

Aber viele Menschen sind damals Ihrer Masche auf den Leim gegangen. Bereuen Sie solch perfide Wahlkämpfe nicht?

Wahlkämpfe sind nie besonders anständig, populistische schon gar nicht. Ich habe solche Kampagnen gemacht und übernehme auch die Verantwortung dafür. Heute versuche ich, das Wissen aus dieser Zeit einzusetzen und damit politische Phänomene wie Donald Trump oder den Brexit zu erklären.

Apropos Trump: Was sagen Sie zu seiner Wahl zum US-Präsidenten, die ja auch Ausgangspunkt für Ihr neues Buch war?

Trump ist ein Hardcore-Populist. Das ist schon eine Zäsur, wenn einer wie Trump mächtigster Mann der Welt wird.

Europas Rechtspopulisten haben über Trumps Wahlsieg entsprechend laut gejubelt.

Ein taktischer Fehltritt! Politiker wie der Niederländer Geert Wilders, die AfD-Chefin Frauke Petry oder der österreichische FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache haben versucht, aus seinem Wahlerfolg in ihren eigenen Ländern sofort politisches Kapital zu schlagen und sich als Trump-Fans geoutet. Damals habe ich mir gleich gedacht: Ui, das könnte sich bitter rächen.

Haider und Sie hätten das nicht gemacht?

Nein, wir hätten auf vorsichtiges Abwarten gesetzt. Trump war ja tatsächlich so etwas wie eine politische Black Box. Niemand wusste, was uns nach seiner Wahl wirklich erwartet. Performt er schlecht und hat man sich ihm zuvor aber an den Hals geworfen, bleibt das an einem kleben. Genau das ist passiert: Es gibt hierzulande tatsächlich eine Art Trump-Schock, der durch seine Art des Regierens täglich eher größer statt kleiner wird.

Ist das nun eine Krise für den Populismus?

Trump hat den Populisten in Europa jedenfalls mehr Schaden als Nutzen gebracht. Von einer Krise zu sprechen, ist dennoch verfrüht. Marine Le Pen beispielsweise hat zwar nicht die französische Präsidentschaft gewonnen, aber das historisch beste Ergebnis für den Front National erzielt. Daran kann man sehen, wie sich Stück für Stück die politischen Gewichte verschieben.

Gibt es Ihrer Meinung nach etwas, das gegen Populismus hilft?

Sachlich bleiben. Man muss mit Populisten immer in die inhaltliche Auseinandersetzung gehen. Vieles von dem, was sie sagen und versprechen, ist nicht umsetzbar. An diesem Punkt können etablierte Parteien leicht ansetzen. Außerdem sind Populisten größtenteils nicht regierungsfähig. Ihnen fehlt meist nicht nur ein klares Programm, sondern auch das passende Personal und Know How. Das sehen wir auch jetzt bei Trump. Bei der AfD oder der FPÖ wäre das nicht anders.

Also mit Realpolitik dagegenhalten - ist das besser als ihre perfiden Taktiken einfach zu ignorieren?

Weil sie eben auf der Sachebene wenig zu bieten haben, arbeiten Populisten permanent mit Provokationen und Tabubrüchen. Populisten profitieren ja vom permanenten Wirbel. Aber sie brauchen immer ein Gegenüber wie andere Politiker, die sich über sie empören. Und Journalisten, die darüber berichten. Ein Beispiel sind Trumps Tweets im US-Wahlkampf. Er hat es dadurch geschafft, die Wahlberichterstattung ohne Inhalte zu dominieren. Ohne die Medien als willige Multiplikatoren hätte er das nicht geschafft. Sich genau darauf nicht einzulassen, ist also der Schlüssel.

Wie bewerten Sie das Auftreten der deutschen AfD?

Die AfD arbeitet semiprofessionell, manchmal regelrecht tollpatschig. Dazu kommen die ständigen Flügelkämpfe. Die Leute in der AfD-Spitze verhalten sich wie Amateure. Die Marke AfD ist inzwischen derart beschädigt, dass es zwar wohl für den Einzug in den Bundestag reichen wird, mehr aber auch nicht. Dabei ist in Deutschland das Potenzial für Populisten enorm. Das Glück der etablierten Parteien ist, dass derzeit niemand da ist, der es versteht dieses Potenzial zu nutzen.

Das erklärte Vorbild der AfD ist die FPÖ, die in Österreich inzwischen zu den Großparteien zählt.

In Österreich ist die Lage anders. Die FPÖ ist hochprofessionell, stark und stabil. Das liegt auch an den anderen Parteien, die viele Themen, beispielsweise Migration und soziale Ungleichheit, jahrelang ignoriert haben. Jörg Haider hat das erkannt und seinen Erfolg darauf gebaut.

Man muss sich auch unangenehmen Themen widmen, rational und unaufgeregt - eben nicht wie die Populisten zur Stimmungsmache und Hetze. Die Wähler wollen ja, dass man sich um Probleme kümmert. Sebastian Kurz von der konservativen ÖVP hat das erkannt und der FPÖ viele Themen zum Teil wieder weggenommen. Deshalb führt er auch in den Umfragen.

"Strache ist inhaltlich alt geworden und äußerlich auch"

Derzeit profitiert Kurz von einem Hype um seine Person. Doch kann er seinen Umfragevorsprung halten? Österreich wählt ja erst Mitte Oktober ein neues Parlament.

Kurz kommt in den Umfragen auf derart hohe Werte, dass es schon eher zu einer Gefahr wird. Wenn die Spitze in einem Wahlkampf zu früh erreicht ist, kann es irgendwann nur mehr nach unten gehen. Dann driftet man schnell in eine Abwärtsspirale hinein, aus der man nur schwer wieder heraus kommt. So ist es beispielsweise dem SPD-Spitzenkandidaten Martin Schulz passiert. Das ist bei Kurz derzeit nicht in Sicht, kann sich in der Dynamik eines Wahlkampfes aber sehr rasch ändern. Noch ist nichts entschieden.

Kurz könnte sich von der FPÖ zum Kanzler machen lassen, FPÖ-Chef Strache wäre dann sein Vize.

Das halte ich noch nicht für eine ausgemachte Sache. Die Frage ist, wie viele Leute in der FPÖ als Juniorpartner überhaupt mitregieren wollen. Die Rolle der Fundamental-Opposition ist ja sehr bequem, weil man vieles fordern kann, aber keine Verantwortung trägt. Viele FPÖ-Leute wollen diese Rolle nicht aufgeben und einfach weiter angenehm von der Partei leben. Österreich hat bereits eine ÖVP/FPÖ-Regierung erlebt - damals bewirkte die Regierungsverantwortung für die FPÖ ein Wähler-Minus. Das bedeutete dann eben auch: weniger Posten, weniger Mandate, weniger Geld.

Aber Strache ist seit zwölf Jahren FPÖ-Obmann, sein erklärtes Ziel war immer zu regieren.

Im Gegensatz zu seiner Partei muss er fast, denn es ist wohl seine letzte Chance. Wenn Strache die FPÖ jetzt wieder nicht in eine Regierung führt, schaut es schlecht für ihn aus. Er ist der dienstälteste Parteichef in Österreich. Strache ist inhaltlich alt geworden und äußerlich auch. Jeder Politiker verbraucht sich und wenn man nicht rechtzeitig den Sprung nach ganz oben schafft, ist es irgendwann zu spät. Strache weiß das. Er steht unter einem gewissen Druck. Derzeit gibt es keine Führungsdebatte in der FPÖ, aber das könnte sich schnell ändern.

Sie selbst kennen die FPÖ gut. Was hat Sie als Student zur Partei gebracht?

Mein Vater war schon bei der FPÖ. Ich bin mit Jörg Haider politisch aufgewachsen. Durch Zufall bin ich dann sein Mitarbeiter geworden - aus Überzeugung für die Person Haider, weniger für die Partei.

Wie unterscheidet sich der Populismus Haiders von dem eines Strache?

Haider hat die FPÖ von einer kleinen liberalen Partei der Anwälte und Freiberufler zu einer rechtspopulistischen Krawall-Bewegung umgebaut. Strache kopiert Haider eigentlich nur: seine Methodik, seine Inhalte, seine Kampagnen. Seit 2006 erzählt er das Gleiche, spielt er seine eine Schallplatte, da ist er sehr konsequent.

Also ist Strache eigentlich Haider 2.0?

Nein, das kann man so nicht sagen, dafür sind sie zu verschieden. Haider war eigentlich ein Intellektueller, er war ein gebildeter und sensibler Mensch. Dafür aber eben auch ein wenig flatterhaft, er hat sich ständig neu erfunden. Er hatte politisches Gespür, er wusste, was ankommt.

Haider war also vor allem ein Opportunist.

Dazu erzähle ich Ihnen eine Anekdote: Einmal hat ein Wähler Jörg Haider gefragt, warum er so aggressiv gegen Ausländer Wahlkampf führt. Da hat ihm Haider offen gesagt: "Ich muss das sagen, weil die Leute das hören wollen." Für eine klare rechte Ideologie war er viel zu open-minded. Das unterschied Haider auch vom heutigen FPÖ-Chef: Strache tickt wirklich so, er ist verwurzelt im nationalistischen Lager.

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