Folgen der Impfskepsis:Mehr Masern

Bereits jetzt gibt es in Deutschland mehr Masernfälle als im vergangenen Jahr. Eine Ursache ist die falsche Annahme vieler Eltern, Masern sei eine harmlose Krankheit, an der das Kind wächst, wenn es sie durchmacht. Dabei kann die Infektion tödlich enden.

Katrin Blawat

Bis 2015 sollen die Masern in Europa ausgerottet sein, dies hat sich die Weltgesundheitsorganisation (WHO) im vergangenen Jahr zum Ziel gesetzt. Aktuelle Zahlen aus Deutschland machen jedoch wenig Hoffnung, dass diese selbst auferlegte Vorgabe eingehalten werden kann.

Mehrere Impfstoffe für Kinder nicht mehr lieferbar

Jeder Dritte von 3000 befragten Erziehungsberechtigten hält Masern für eine harmlose Krankheit. Das schwächt die Impfbereitschaft.

(Foto: Jörg Carstensen/dpa)

In Deutschland gab es schon in der ersten Hälfte dieses Jahres mehr Maserninfektionen als in jedem der vergangenen vier Jahre, wie aus der Statistik des Robert-Koch-Instituts (RKI) hervorgeht.

Bis Mitte Juni waren 1296 Menschen an der Virusinfektion erkrankt. Von 2007 bis 2010 schwankte die Zahl der Neuinfektionen hingegen jeweils zwischen 566 und 915. Offen ist noch, ob die Erkrankungszahlen am Ende dieses Jahres über denen von 2006 liegen werden, als das RKI deutschlandweit sogar 2308 Fälle registrierte. Damals gab es einen großen Ausbruch in Nordrhein-Westfalen.

Üblicherweise treten die meisten Masernerkrankungen in Baden-Württemberg und Bayern auf. Auch in diesem Jahr liegt dort der Schwerpunkt mit bislang 800 Infektionen. Auffällig ist aber auch ein erheblicher Anstieg im Saarland mit bislang 23 Fällen in diesem Jahr. In den vergangenen Jahren war dort höchstens je ein Patient an Masern erkrankt.

Sorgen bereitet Medizinern, dass sich zunehmend Jugendliche und junge Erwachsene infizieren. Mehr als ein Drittel der Masernfälle dieses Jahres, nämlich 452, betrafen Zehn- bis 19-Jährige.

Zwar empfiehlt die Ständige Impfkommission (Stiko) am RKI seit dem vergangenen Jahr die Masernimpfung auch für junge Erwachsene, wenn deren Impfstatus unklar oder veraltet ist. Doch Jugendliche von der Notwendigkeit einer Impfung zu überzeugen, sei besonders schwierig, sagt Stiko-Mitglied Rüdiger von Kries vom Institut für Soziale Pädiatrie der Ludwig-Maximilians-Universität München.

Meist verläuft eine Maserninfektion bei jungen Erwachsenen schwerer als bei kleinen Kindern. "Das heißt aber nicht, dass Masern bei Babys und Patienten im Vorschulalter harmlos sind", warnt Reinhard Berner, Leiter des Zentrums für Kinder- und Jugendmedizin der Universität Freiburg. "Auch bei kleinen Kindern sehen wir immer wieder schwere Verläufe."

Besonders gefürchtet ist dabei die sogenannte SSPE, eine unweigerlich zum Tode führende Gehirnentzündung. Sie tritt bei einem von 10.000 Krankheitsfällen auf, allerdings erst mehrere Jahre nach der Masernerkrankung und fast immer bei Patienten, die sich schon als Babys infiziert hatten.

Dabei lässt sich die SSPE ebenso wie andere schwere Komplikationen durch eine Impfung leicht vermeiden. Einer aktuellen Studie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) zufolge sieht jedoch ein Drittel aller Eltern zumindest Impfungen skeptisch, aus Angst vor Nebenwirkungen oder weil sie die Vorsichtsmaßnahme für unnötig halten.

"Mit der Impfung gegen Masern tun sich Eltern besonders schwer", sagt der Freiburger Kinderarzt Berner. "Masern gelten immer noch als banale Krankheit, an der das Kind wächst, wenn es sie durchmacht. Dass es auch sehr schwere Fälle gibt, haben viele Eltern nicht mehr im Bewusstsein."

Die Ergebnisse der BZgA-Studie bestätigen dies: Demnach hält jeder Dritte der 3000 befragten Erziehungsberechtigten Masern für eine harmlose Krankheit. Zudem hängt die Impfbereitschaft auch von der sozialen Stellung der Eltern ab. "Es gibt Hinweise, dass die Impfquote sowohl in sehr wohlhabenden als auch in den sozial schwächsten Familien niedrig ist", sagt Susanne Glasmacher vom RKI.

Die in Deutschland besonders impfkritische Einstellung könnte dazu führen, dass die WHO mit ihrem Ziel scheitert, die Masern bis 2015 in Europa auszurotten. Ursprünglich hatte die Organisation sogar das Jahr 2010 angepeilt.

Um eine Viruserkrankung ausrotten zu können, muss die Impfrate mindestens 95 Prozent betragen. Diese Marke wird derzeit aber weder in Deutschland noch in vielen anderen europäischen Ländern erreicht.

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