Ölsand-Förderung:Dreckschleudern in Kanada

Gewinnung von Öl aus Sand

Gewinnung von Öl aus Sand

(Foto: esa)

Bis zu tausend Mal mehr Umweltgifte: Der Abbau von Ölsand in Kanada setzt viel mehr karzinogene Stoffe frei als gedacht. Fördergebiete gleichen Mondlandschaften.

Von Christopher Schrader

Gerade läuft die zweite Runde des Online-Doku-Spiels Fort McMoney. Mehr Informationen zum Spiel lesen Sie hier.

Wo die Ölindustrie in die kanadische Provinz Alberta einfällt, hinterlässt sie eine Mondlandschaft. Alle Bäume sind gefällt, die Erde ist aufgerissen, Bagger graben sich immer tiefer in die Gruben, gewaltige Lastwagen transportieren den Ölsand ab. In großen Industrieanlagen wird Schweröl aus dem extrahiert; sie zapfen die Flüsse der Gegend an, weil sie neben Chemikalien Unmengen heißes Wasser brauchen. Abfälle und Abwasser landen in gewaltigen Teichen.

Und trotzdem unterschätzen die kanadischen Behörden die Schäden offenbar massiv, wie jetzt zwei Wissenschaftler von der Universität Toronto zeigen: Laut ihren Berechnungen gelangen weitaus mehr krebserregende Schadstoffe aus der Gruppe der Polyzyklischen Aromatischen Kohlenwasserstoffe (PAK) in die Umwelt als angenommen.

Umweltgifte unterschätzt

Die Behörden berücksichtigen offenbar nur PAK, die aus Schornsteinen direkt in die Luft gelangen. 99,999 Prozent der beim Ausbaggern mobilisierten Schadstoffe landeten in Abwasserteichen; dort stellten sie keine ökologische Gefahr mehr da, so die offizielle Position.

Sie lässt sich aber kaum in Einklang mit Messungen bringen, die den PAK-Gehalt von Luft, Boden, Pflanzen und Wasser festhalten, sagen die Wissenschaftler Abha Parajulee und Frank Wania. Falls wirklich nur direkte Emissionen in die Umwelt gelangten, müsste sie in diesem Punkt die Qualität Grönlands haben, wo es weder petrochemische Industrie noch Wälder gibt, die bei Bränden PAK auf natürliche Weise freisetzen.

Lückenhafte Überwachung

Die Forscher haben die Emissionen der Gegend um Fort McMurray, das Zentrum der Ölsand-Industrie, per Computermodell simuliert und dabei angenommen, dass auch PAK aus den Abwasserteichen verdunsten. Während zum Beispiel von der Verbindung Benzopyren nur ein Prozent aus den Haltebecken aufsteigt, könnte es bei Phenanthren 66 Prozent sein. Als die Wissenschaftler mit diesen Werten von den Messwerten auf die Emissionen zurückrechneten, stellten sie fest, dass aus den Teichen hundert- bis tausendmal so viele Schadstoffe aufsteigen, wie offiziell in die Luft gelangen (PNAS, online).

Ohnehin ist die kanadische Überwachung lückenhaft. So enthält das nationale Register der Umweltschadstoffe nur vollständige Daten von vier von zehn Minen, die Ölsande im Tagebau gewinnen. Immerhin verspricht ein künftiger Wechsel der Abbautechnik Abhilfe. Tiefere Lagerstätten - immerhin 80 Prozent der Ressourcen - sollen mit Bohrtürmen ausgebeutet werden, die Dampf in die Tiefe pressen und das verflüssigte Öl nach oben pumpen. Die PAKs sollen dann gleich im Erdreich bleiben.

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